Teuerungswelle, Fachkräftemangel, rückläufige Baugenehmigungszahlen: Claus Greber, Vertriebsleiter Holzbau bei Pfeifer, hätte manchen Grund, das Glas „halb leer“ zu sehen. Doch für den Berufsoptimisten ist klar: Die Zukunft des Holzbaus gehört denen, die sie mitgestalten. Im Interview zeichnet Greber ein spannendes Stimmungsbild der Holzbaubranche.
Herr Greber, als Vertriebsleiter agieren Sie sehr nah am Kunden. Wie geht es den Holzbauunternehmen aktuell?
Vorneweg: Im vergangenen Jahr gab es keine wirklich relevanten Engpässe. Die Industrie hat alles getan, um eine Wiederholung von 2021 zu verhindern – mit Erfolg. Was wir sehr wohl beobachten, sind rückläufige Baugenehmigungszahlen. Diese könnten zum Jahresende 23 oder eben in 2024 eine stark veränderte Situation schaffen. Momentan ist die Stimmung in unseren Kernmärkten, also in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz, aber sehr gut.
Was sind die größten Herausforderungen für den Holzbau?
Ganz klar die globalen Entwicklungen und deren Folgen. Eine Überbelastung der einzelnen Akteure infolge von Fachkräftemangel reduziert natürlich die Wachstumschancen für den Holzbau. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte auch im Betonbau, was die Montage eines Holzhauses verzögert. Weiters sorgen steigende bzw. schwankende Materialkosten für Unkalkulierbarkeit, was immer ein Risiko darstellt. Als Herausforderung entpuppt sich oft auch die Bürokratie in Form von schleppenden Bewilligungsverfahren, unterschiedlichen Bauvorschriften etc. sowie das Verschieben von Investitionen auf unbestimmte Zeit. Bei dem Punkt spielen natürlich Inflation, Energiekosten, Zinsen, Finanzierungsregeln eine große Rolle.
Aber nun zu den Chancen: Warum hat der Holzbau trotz allem Zukunft?
Wo Schatten ist, muss auch Licht sein! Hohe Energiekosten bremsen speziell Stahl und Beton aus – Chance Nr. 1 für den Holzbau. Langfristig spricht alles für das ressourcenschonende Bauen mit Holz – Chance Nr. 2. Bei anhaltendem Fachkräftemangel geht es auch um Bauzeiten, hier ist Holz klar im Vorteil – Chance Nr. 3. Die politisch gewollte Ökologisierung des Bauens ist Chance Nr. 4, die zirkuläre Bauweise Chance Nr. 5. Bauweisen mit hohem Vorfertigungsgrad, wie etwa der Modulbau, sind Chance Nr. 6. Die Möglichkeit zu Hochhausbauten – Chance Nr. 7. Die perfekten Eigenschaften von Holz für Aufstockungen im urbanen Raum – Chance Nr. 8. Das wachsende Bewusstein von Architekten, Planern, Ingenieuren und Bauherren für die Vorteile von Holz sind Chance Nr. 9 für den Holzbau – und diese Liste ließe sich problemlos fortsetzen! Speziell das Umdenken hin zu einer Kreislaufwirtschaft und zum Urban Mining, also dem Nutzen der städtischen Fundgrube, wird die Zukunft bestimmen. Und auch bei diesem Szenario hat Holz die mit Abstand besten Karten im Spiel.
Was bedeutet das konkret für die Holzbauunternehmen?
Sie werden noch mehr auf Digitalisierung (Stichwort BIM) setzen, noch mehr Vorfertigung und kürzere Montagezeiten anstreben müssen. Die Planung muss verstärkt in Richtung Re-Use und zirkuläre Bauweise gehen, was allerdings auch den Planungsaufwand erhöht. Die Challenge dabei lautet, genügend Planer und Architekten mit entsprechenden Holzbaukenntnissen auszubilden. Aber auch die Planer werden umdenken müssen. Wenn mehr Ingenieurleistung beim Holzbauunternehmen liegt, hat das wiederum einen erhöhten Personalbedarf zur Folge. Unter Berücksichtigung der vorhin genannten Ökologierungsthemen heißt das vor allem eines: Dem Holzbau wird so schnell nicht die Arbeit ausgehen!